Heute schauen wir uns eines der verworrensten und rätselhaftesten Gemälde, die ein Künstler je geschaffen hat: Arnolfini-Hochzeit von Jan van Eyck.

Warum rätselhaft? Um kaum ein anderes Gemälde gibt es so viele Diskussionen und so viele Interpretationen, wie bei diesem Werk. Für die einen ist es genau das, was der Titel verheißt: die Heirat von Giovanni Arnolfini und Giovanna Cenami, nichts mehr. Für die anderen ist es voller Mysterien.

Um auf jedes einzelne Symbol einzugehen, reicht der Platz hier nicht. Daher schauen wir uns einfach mal nur die Frau an.

Auf den ersten Blick (so wird sie gern sogar heute noch interpretiert, vor allem von Laien), ist sie eine schwangere Frau. Jeder Frau, die schon mal selbst Kinder bekam, wird die beschützende Geste der linken Hand über dem Bauch bekannt vorkommen. Eindeutig schwanger…

Wirklich? Giovanni Arnolfini war ein reicher, standesbewusster italienischer Kaufmann. Würde jemand wie er eine Frau heiraten, die offenbar zum Zeitpunkt der Hochzeit bereits schwanger war? In der damaligen Zeit wäre solch ein Frevel unvorstellbar! Vorehelicher Beischlaf war im 15 Jahrhundert nicht nur verpönt, eine Frau verlor ihre gesamte Ehre, wenn sie vor der Hochzeit schwanger wurde, und der Mann die seine, wenn er eine solche Frau geheiratet hätte! Selbst wenn es sich bei der Schwangerschaft um einen Fehltritt Arnolfinis selbst handeln würde, und er sie daher hätte heiraten müssen, würde er das doch nicht auf einem als Repräsentation gedachtem Gemälde besonders betonen, oder?

Vermutlich ist sie eben doch nicht schwanger. Schaut man genauer hin, kann man sehen, dass sie mit der linken Hand das Kleid hochhält, weil es so prächtig und lange ist. Aber mit einer Geste, die sofort an Schwangerschaft denken lässt? Vielleicht soll es künftige Fruchtbarkeit bezeugen, eine der damals wichtigsten Eigenschaften der Frau (ein künftiger Erbe war häufig der einzige Grund für eine Eheschließung!)?

Wer ist diese Frau eigentlich? Wikipedia macht es sich einfach: Giovanna Cenami. Kunsthistoriker sind sich da nicht so sicher…

Giovanni di Nicolao Arnolfini hatte insgesamt zwei Frauen geheiratet: Constanza Trenta sowie Giovanna Cenami. Welche von den beiden ist es also? Gute Frage.

Das Gemälde entstand 1434 in Brügge. Giovanna Trenza starb jedoch 1433, also ein Jahr vorher. Also doch Giovanna Cenami? Das wurde so auch lange angenommen. Aber in den 90er Jahren tauchte ein Dokument auf, welches bescheinigte, daß die Hochzeit Arnolfinis mit Cenami… 1447 stattgefunden hat, satte 13 Jahre nach der Entstehung des Gemäldes!

Und nu?

Da gibt es wieder eine weitere Theorie: nein, es ist nicht Cenami, sondern tatsächlich Constanza Trenta, es ist also ein Post Mortem Gemälde: die Frau war zu dieser Zeit bereits tot. Damit ist es vielmehr ein Andenken an die Frau.

Es gibt tatsächlich Hinweise, die darauf hindeuten: im Leuchter beispielsweise brennt nur die Kerze über Arnolfini, die über der Frau ist erloschen. Nur aus der Nähe sichtbar ist ein leichter Hauch über der Kerze, so als wäre sie soeben ausgeblasen worden. Constanza starb ja erst wenige Monate vorher…

Zweitens, um den Spiegel im Hintergrund sind Szenen aus der Passion Christi abgebildet, wobei die Lebensszenen auf Seiten Arnolfinis sind, die des Todes und der Auferstehung aber auf Seite der Frau. Und es gibt noch einen dritten Hinweis: hinter der Frau findet sich eine kleine Figur der Heiligen Margaret, Patronin der Schwangerschaft und der Geburt. Ihre Nähe zum Bett und zu der Frau selbst könnte darauf hindeuten, sie sei bei der Kindgeburt gestorben (was wohl Constanza Trenta tatsächlich passierte). Andererseits, es könnte nur ein Hinweis sein auf Fruchtbarkeit und die vielen Kinder, die das Paar hoffentlich bekommt…

Oder vielleicht ist es gar nicht Giovanni Arnolfini auf dem Gemälde? Durchaus nicht ausgeschlossen, denn zu dieser Zeit gab es in Brügge fünf verschiedene Arnolfinis.

Die Annahme, es ist Giovanni, basiert alleine auf einer Interpretation von Weale von 1861, der annahm, es muss das wichtigste Mitglied dieser Familie sein, also eben Giovanni. Es steht aber weder auf dem Gemälde selbst, noch in den Werkverzeichnissen und Katalogen, wo das Gemälde vorher verzeichnet war. So taucht das Gemälde im Katalog der Sammlung von Margarete von Österreich  als „Arnoult Fin“ oder „Hermoul le Fin“.  Kein Hinweis auf die Identität der Personen darin.

Wohl gemerkt, wir haben uns nur ein einziges Sujet des Bildes angeschaut, sind nicht wirklich schlau geworden und der Beitrag ist schon zu Ende…