Dass kein Meister vom Himmel gefallen ist, das haben wir in unserem Leben sicherlich schon häufig gehört. Vermutlich auch nicht viel seltener selbst den Spruch vorgebracht. Die Erkenntnis jedoch, dass dies auch für die Großen Meister gilt, ist doch manchmal ganz schön überraschend.

Werfen wir ein Blick auf die Umsetzung des Themas: „Anbetung der Heiligen Drei Könige“ durch Sandro Botticelli.

Das erste Bild hat der (damals noch nicht) Meister gemalt, als er noch ein Schüler in der Werkstatt vom Filippo Lippi war, etwa 1465-1467. Das Gemälde hat ein längliches Format, vermutlich war es daher gedacht als Zierde eines Möbelstücks (Bettstaat?).

Wir sehen noch sehr viel Unsicherheit in der Hand des Malers. Ein klarer roter Faden einer durchdachten Komposition fehlt. Die Figuren wirken chaotisch, viele stehen einfach nur herum. Links herrscht ein großes Gewusel, rechts viel Leere. Die zwei Personen rechts, die ins Bild eilen, wirken unpassend, abgeschnitten, dazu stehen rechts als ihr Gegenpunkt zwei unbewegt stehende Pferde. Die Menschen schauen einander vorbei, einzelne, wie (auf dem Bild leider nur schlecht sichtbar) der Mensch links am Rand zeigen irgendwo in den Himmel auf irgendetwas, was der Betrachter gar nicht sehen kann. Der Künstler unternimmt den Versuch, das Gemälde mit architektonischen Stillmitteln (Ruine links und Säulen rechts) zu teilen, doch dabei wirkt der linke Teil komplett abgetrennt, so dass Botticelli den Zwerg an die Ruinenlinie setzt als einen (leider nur schwachen) Versuch, diese doch irgendwie zu einer Einheit zu verbinden.

Es ist ein nettes Gemälde, welches durchaus Hinweise auf die künftige Größe des Malers gibt, aber sich nicht über den gewöhnlichen Durchschnitt der damaligen Malerei erhebt.

Nur paar Jahre später, irgendwann um 1470 herum, malt Botticelli die zweite Version des Thema, diesmal als Tondo (rund).

Eine deutliche Steigerung der Fähigkeiten ist leicht zu erkennen. Die zentralen Personen, Maria und Jesuskind, sind nun in der Mitte statt am Rand platziert. Die Menschen bilden eine Art Halbkreis um sie und rücken die beiden damit noch mehr ins Zentrum des Bildes. Ganz im Sinne des Humanisten Leon Battista Alberti, der in Gemälden die Darstellung möglich vieler verschiedener Dinge forderte, sehen wir junge und alte Menschen, bärtige und ohne Bart, Männer und Frauen, alle mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken, neugierig, zuhörend, sprechend. Selbst die Architektur spielt jetzt besser mit, die erhabene Ruine über Maria und Jesus zeigt gen Himmel, der gesamte Aufbau wirkt harmonischer, die Menschen interagieren miteinander, man sieht Grüppchen, die wirklich zueinander passen.

Und doch passieren dem jungen Maler noch Schnitzer. Die schiere Anzahl an Personen erdrückt, Maria und Jesus verschwinden fast in der Menge. Gerade das kleine Kind ist erst mit viel Aufmerksamkeit zu sehen. Insbesondere die dunkel gekleidete kniende Person vor ihm lässt es optisch verschwinden. Angesichts der vielen Gruppen stellt man sich auch die Frage, was sollen die denn alle eigentlich in diesem Gemälde? Ist es ein großes Ereignis der Kirchengeschichte, oder die lautstarke Mittagspause einer Gruppe Touristen auf Ausflug?

Ganz vorne, leicht rechts unten, an einem der am stärksten wirkenden Blickpunkt, steht außerdem ein sehr unglücklich platziertes Pferd: es streckt uns Betrachtern den Hintern entgegen und wirkt mit seinen krummen Beinen doch ziemlich lächerlich…

Nur wenige Jahre später perfektioniert Botticelli seine Darstellung, so dass man jetzt tatsächlich von einem Meisterwerk sprechen kann: die Del-Lama Version des Themas.

File source: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zanobi-Altar.jpg

Die Darstellung ist geschrumpft. Es sind nun deutlich weniger Menschen da, die aber größer und präsenter wirken. Sie bilden erneut einen Halbkreis um Maria und Jesus, doch so, dass dieser nun die beiden hervorhebt, statt verschwinden zu lassen. Sie schauen entweder alle zum Geschehen, oder zeigen deutliche Anzeichen, dass sie es mit erleben, in der Erwartung, in Kürze selbst mit der Anbetung an der Reihe zu sein. Man spürt regelrecht ihre Aufregung und Ungeduld, mal mehr mal weniger vornehm vorgebracht.

Die Gesichter sind jetzt so deutlich, dass man etliche Menschen auch direkt erkennen kann: im hellblauen Mantel rechts mit weißen Haaren der Auftraggeber, Guaspare di Zanobi del Lama, eine windige Gestalt mit dunkler Vergangenheit, Cosimo de Medici, der vor Maria kniet, Piero di Cosimo de Medici in der Bildmitte mit rotem Mantel und noch etliche andere.

Die sanft ansteigende Perspektive richtet den Blick des Betrachters auf die Mutter Gottes und ihr Kind, die sich würdevoll und doch sanft über die versammelten Menschen erheben. Über ihnen steht Josef, der einen Abschluss der Personengruppe nach oben bildet. Gemäß seiner Rolle ist er nicht so strahlend wie Maria gemalt, und doch findet er einen würdigen Platz.

Die erneut anwesende Ruine grenzt das Geschehen gegenüber der lieblichen Landschaft dahinter und bildet einen ruhigen und doch interessanten Hintergrund.

Wie sehr angetan von dem Werk der (nun Meister)Maler war, erkennen wir daran, dass er sich selbst im Bild platziert. Meine Damen und Herren, darf ich vorstellen: rechts, zum Betrachter schauend, in einem braunen Umhang gewickelt: Meister Alessandro di Mariano Filipepi, auch bekannt als Sandro Botticelli